Ich habe keine Ahnung ob es dieses Wort gibt, aber ich finde es passend: „Bildungsrandgruppen“. Kinder (oder Menschen generell) die aus irgend einem Grund am Rande des Bildungssystems stehen, zunächst einmal ungeachtet warum.

Diese Gruppen sind bzw. werden irgendwann, zum Problem, denn unser wirtschaftliches und demokratisches System ruht zum nicht unerheblichen Teil auf ein gewisses Maß an Bildung. Wer nicht lesen und schreiben kann, ist oft ausgeschlossen von unabhängige Informationsbeschaffung. Es bleiben nur die bewegte, und wenn geschickt produziert bewegende, Bilder und das gesprochene Wort als Quelle der Information. Früher war das noch radikaler, da fand ein Informationsaustausch tatsächlich auf dem Markt statt und nur die wenige Menschen die lesen und schreiben konnten hatten möglicherweise eine Chance aus Zugang zu Quellen. Wer sonst als ein Lesender konnte sich gegen dem wehren, was die Pfarrer als „Wahrheit“ verkündeten?

Heute, mit eine vielfalt an digitalen Technik und Medien ist es noch viel einfacher zu manipulieren. WIe einfach habe ich in meine Projekte mehrfach die Kinder gezeigt. Wer dann nicht in der Lage ist selbstständig Quellenforschung zu betreiben, steht auf verlorenem Posten.

Deswegen ist Bildung eine Kernvoraussetzung um unser demokratisches System zu erhalten und deswegen sind Bildungsrandgruppen direkt oder indirekt eine Bedrohung für uns allen.

Wie aber kommt es dazu, dass sich diese Randgruppen bilden? Zunächst ganz einfach, Betrachten wir unsere Bildungslandschaft als einem Kreis, wird die Grenze gebildet von eine Reihe von Personen die allen gleich entfernt vom Zentrum stehen (vereinfachte mathematische Darstellung). Ebenso befinden sich dann in diesem Kreis viele Menschen die mehr oder weniger nahe am Zentrum sind. Das ist an sich nicht tragisch, man muss nur aufpassen, dass sich diese Menschen nicht zu weit vom Zentrum weg bewegen bzw. dass denen den zugang zum Zentrum versperrt wird. Das wurde z.B. in den späten 60-ern des letzten Jahrhunderts von den heute als 68-er Generation bezeichnete (meist Studenten und Intelektuellen…) Gruppen verstanden. Sie forderten ein Bildungssystem, wo ein jeder studieren können sollte, unabhängig von der wirtschaftliche Stärke seiner Eltern oder vom sozialen Umfeld. Falsch verstanden führt diese Forderung aber zu ein anderem Extremen, jeder soll studieren können, auch wenn er die Fähigkeiten dazu nicht hat. Aber darum geht es jetzt nicht.

Selbstverständlich darf der Kreis nicht geschlossen sein, nicht einmal geschlossen erscheinen, denn es wird immer Menschen geben die, egal warum, zutritt zu diesem Kreis begehren und auch ein Recht darauf haben in dem Kreis zu kommen. Dann ist es egal ob der Kreis wirklich geschlossen ist oder nur so erscheint. Jemand der bis Dato keine Bildung hat, der aus einem Umfeld ohne Bildung kommt, vielleicht noch religiös geprägt als „es sei Gottes Willen!“, wird meistens nicht versuchen in den Kreis zu gelangen, wenn dieser geschlossen erscheint. Damit schafft ein geschlossen (wirkenden) Bildungskreis automatisch die Grundlage für Extremen, denn wo sonst finde ich ein Publikum, dass wirklich offen ist für meine Propaganda? Bildungshungrigen die ausgeschlossen sind (oder sich ausgeschlossen fühlen) kann ich nur zu gerne „füttern“ mit meine extreme Gedanken und Ideen. Bücher in Sprachen die die Leute nicht sprechen können da die Grundlage bilden für bösesten Theorien und in deren Folge, roher Gewalt.

Alleine deswegen muss der Bildungskreis geöffnet sein und auch so erscheinen.

Aber dann gibt es noch die Gruppe die von Innen aus zum Rand gedrängt wird. Gruppen die eigentlich keine Zeit für Bildung haben, weil sie zu beschäftigt sind ihr Lebensunterhalt zu bestreiten. Oder Kinder von Eltern die selbst nicht im Bildungskreis sind und deswegen keine Unterstützung haben sich dort aufzuhalten. Ich erinnerene mich noch, dass es Zeiten gab wo der Sohn vom Bauern, so er schon über die Grundschule hinaus zur Schule gehen dürfte und nicht auf dem Hof arbeiten musste, sich nicht nur in der Schule gegen die Vorurteile seiner Mitschüler und Lehrkräfte wehren sollte, aber auch zuhause meist noch unter Beschuss stand. Ich kenne einige hoch intelligente Personen, die zunächst im Bildungsaußenbezirke hängen geblieben sind, weil „einer hier aus der Straße nicht zum Gymnasium geht…“ Mancheiner hat es in mühevoller und nicht selten schmerzhafter Anstrengung geschafft sich daovn zu lösen, manch einer ist hängen geblieben. Eine Verschwendung von Resourcen, möchte ich behaupten, die eine Gesellschaft sich nur deswegen meinte leisten zu können, weil es genug Intelligenz unter den anderen gab. Welch ein Trugschluss!

In dem Kontext erinnere ich mich noch an einem Schulleiter, wir schreiben das Jahr 2003 (!), der meinte in Bezug auf Hochbegabung „Ach Herr van Gerven, schauen Sie sich das Umfeld dieser Schule an und sie werden sofort erkennen, dass wir diese Kinder an unsere Schule nicht haben..:“ Er hatte unrecht, und es war eine Lehrerin zu verdanken, dass wenigstens vorübergehend diese Kinder eine Chance bekamen.

Es gibt allerdings auch Gruppen die aus verschiedene Gründe mit dem System nicht zurecht kommen. Sie werden nicht von außerhalb zur Rand gezogen, sondern fühlen sich hinaus gedrängt. Entweder weil sie zu der Gruppe gehören die sich nur mit Mühe Zugang zum Kreis verschafft hat und sich dann da nicht wohl fühlen, oder weil sie sic absolut unerstanden und in Mitten der Gruppe völlig alleine gelassen fühlen.

Einer dieser Gefahr ausgesetzte Personen sind gerade die, für die Bildung eigentlich etwas wunderbares sein müsste, und es eigentlich auch ist. Bildung, Information, Kenntnis, Denken, so viel und so weit, fast unbegrenzte Möglichkeiten. Sie verfügen über weit überdurchschnittliche Fähigkeiten und wären in ein entsprechendes Umfeld zu verblüffendes in der Lage und auch dazu bereit. Doch genau so wenig wie die Bildungslandschaft auf die Neuzugänge zum Kreis vorbereitet scheint, scheint sie auf diese Gruppe vorbereitet. Immerhin, mindestens 2,23% der Bevölkerung gehört zu diese Gruppe und wenn man sieht wie unzuverlässig die Messmethoden sind, darf man ruhig eine Gruppe von 5 bis 10 % annehmen, die mit dem System nicht zurecht kommt. Warum darf ich erst Lesen lernen wenn ich in der Schule komme? Gibt es vor diesem Zeitpunkt keine Information die mich interessiert und wichtig für mich sein könnte? Warum muss ich endlos Blätter mit Buchstaben ausmalen, wenn ich schon längst flüssig lesen und schreiben kann? Warum darf ich nicht mit vierstellige Zahlen rechnen, nur weil ich erst in der erste Klasse bin? Vielleicht weil meine Lehrerin es selbst nicht kann? (Original Frage eines Kindes in einer ersten Klasse…)

Statt der Freude an Bildung entstehen bei diese Gruppe nicht selten Frust, mit am Ende die Resignation. Im günstigsten Fall mogelt sich ein Kind durch, vermeidet Konflikte (häufig die Mädchen…) und schafft ein mittleren Abschluss um dann irgendwann endlich „lernen“ zu dürfen was sie wollen und im eigenen Tempo. Im ungünstigsten Fall entstehen Störenfriede (häufig die Jungs…) und entwicklet sich massives Schulvermeidungsverhalten mit am Ende kein oder ein nur so geringen Abschluss, dass einen Durchstart schier unmöglich erscheint. Kommt in beide Fälle da noch ein lädiertes Selbstbild zu, fangen die Probleme erst richtig an.

Aus dem Grund gilt es, meiner Meinung nach, jeder Form von Bildungsrandgruppen zu bekämpfen. Die, die außerhalb des Kreises stehen sollen möglichst schnell udn umfassend hinein geholt werden und die die sich schon im Kreis befinden sollen nicht hinausgedrängt werden.

Schließlich sparen wir damit auch viel Geld, auch wenn wir erst einmal kräftig investieren müssen. Probleme die nicht entstehen (Radikalisierung, Schulvermeidung, Schulversagen, Arbeitsperspektivlosigkeit) weil wir heute in Bildung investieren, brauchen wir später nicht teuer zu lösen.

In diesem Sinne,

 

Olav