Eigentlich schreiben wir heute die Geschichte von Übermorgen und danach, denn das was hier hier und heute als Gegenwart erleben, können wir in Zukunft nur noch nacherzählen. Oder es mit Texte, Foto und Video belegen.

Verlassen wir uns nur auf unser Gedächtnis, wird die Geschichte schnell verherllicht. Weniger Schönes wird ausgelassen, Schönes hervorgehoben und dann kommt man schon schnell an den Punkt wo man sagt „Früher war alles besser…“. Nein, früher war alles anders, manches vielleicht besser, manches vielleicht schlechter, aber auf jedenfall anders. Und das ist auch gut so, denn mit der Zeit entwickeln die meiste Menschen und Gesellschaften sich weiter.

Manchmal wird bei Erinnerungsberichte dann von „Geschichtsfälschung“ gesprochen, doch da muss ich in den meisten Fälle widersprechen. Jemand der aus ehrliche Motive aus seiner oder ihre Erinnerungen berichtet, mag vielleicht nicht 100% akkurat berichten, hat aber dabei kein böse Absicht. Fäkschung jedoch setzt für mich ein bewußtes Handeln, bewußtes Erzählen von vermeintliche Tatsachen entgegen besseres Wissen voraus. Das ist nunmal bei ein reiner Erinnerungsbericht so nicht zutreffend.

Hinzu kommt, auch wenn man sich genauer an etwas erinnert, das was anderen dazu berichtet haben kann die eigene Wahrnehmung und Erinnerung daran stark beeinträchtigen. Dann ergibt sich ein anderes Bild als wenn man die Geschehnisse mit Texte und Bilder belegt. Das ist so, das kann man denke ich auch nicht ändern also, muss man damit leben.

Besonders wichtig sich das zu realisieren ist das, wenn man die Lebensgeschichte von Menschen aus dem eigenen Munde aufzeichnet. Zeiten und Ereignisse werden mit zunehmenden Alter leichter durcheinander gebracht und zum Eigenschutz verblassen auch die schlechte Erinnerungen schneller als die Gute. Manchmal ist es aber auch ein ursprünglichen angst für die schreckliche Konsequenzen der Wahrheit die einem Menschen dazu bringen über langer Zeit eine geänderte Geschichte zu erzählen, so lange, bis diese geänderte Version von der Person selbst als Wahrheit akzeptiert wird.

Letzters istnicht nur ein Phänomen bei ältere Menschen, dass findet man in jeder Altersgruppe. Menschen die unsicher sind passen ihre Geschichte nur zu gerne an dem vermeintlichen Erwartungen an, auch wenn das nicht ganz die Wahrheit entspricht. Trump nennt das dann „alternativ facts“, ich würde das gerne als „Trumpisierung der Wahrheit“ bezeichnen, wobei ich dann offen lasse ob dies unbewußt oder bewußt geschieht.

Bei der Bearbeitung von Interviews die ich aufgezeichnet habe, und die für mich dazugehörende Überprüfung der geschilderte Personen und Tatsachen, stoße ich immer wieder darauf. Menschen die ehrlich meinent etwas erzählen, was so objektiv zumindest nicht belegbar zu sein scheint. Der Vater, der eigentlich aus eine reiche Familie stammen würde und auf ein Schloss aufwächst zu einer Zeit wo sein vermeintlicher Vater nicht einmal im Besitz des Schlosses gewesen ist, ist do ein Beispiel. Die Enterbung, weil er ein Mädchen aus einer Künstlerfamilie heiraten wollte und sein späteren absoluten Verzicht auf das Erbe weil er „alt und krank sei…“ zu einem Zeitpunkt wo er noch gar nicht so alt (gerade einmal 41) war, is ein weiteres Beispiel.

Das alles aber mindert nichts an dem, was die interviewte Person erzählt hat, denn es ist ein Stück lebendige Geschichte, nicht gefälscht, sondern persönlich kolloriert. Wie in ein altes Schwarz-Weiß Bild ganz vorsichtig etwas Farbe hinein gebracht wird. Und das ist gut so, denn die Wahrheit, dass wissen wir allen, ist ja nie Schwarz-Weiß.

 

In diesem Sinne,

 

Olav