Langsam ebbte das Geräusch der Rotorblätter des Hubschraubers weg. Noch war kein Mensch zu sehen, nicht einmal der Pilot. Es fiel Eva auf, dass die Lichtung hinterm Haus sehr geschickt angelegt worden war. Nachdem der Hubschrauber gelandet war, war von der Straße aus nichts mehr zu sehen. Als ob das genau so vorgesehen war.

Die Seitentür des Hubschraubers öffnete sich und als erste sprangen zwei im Anzug gekleidete Personen hinaus. Sie blickten rund, dann kam einer auf sie zu.

„Lundqvist?“, fragte er, ohne sich selbst vorzustellen.

„2x sogar, und Larson, wenn es dir passt,“ antwortete Erik.

„Waffe!“ forderte der Mann Erik auf.

„Wie bitte?“

„Geben Sie mir ihre Waffe,“ forderte der Mann zum zweiten Mal.

„Kein Haar am Kopf der daran denkt,“ meinte Erik und machte einen Schritt zurück. „Nimm dein Hubschrauber und wer immer da drinnen sitzt und verschwinde wieder.“

„Letzte Aufforderung, geben Sie ihre Waffe ab!“

Erik drehte sich um und wollte weglaufen als der Mann ein schnellen Schritt nach vorne machte und seine Hand auf Eriks Schulter legte. Dann ging alles sehr schnell. In einer Bewegung drehte Erik sich um, griff den Mann beim Handgelenk und drehte weiter. Eva hörte ein lautes Knacken, dann lag der Mann auf dem Boden, den Arm in ein etwas unnatürlichen Winkel auf dem Rücken und Eriks Knie im Genick.

„Drohung!“, rief Sven Hägar und kniete plötzlich neben Erik. Woher die Waffe in seiner Hand kam war Eva ein Rätsel, dich er zielte auf den Hubschrauber. Ein Blick zur Seite verriet Eva, dass der zweiten Mann der Ausgestiegen war ebenfalls auf dem Boden lag aber mit einer Waffe in seiner Hand auf Erik und Sven Hägar zielte. Dann erschien eine Frau in der Türöffnung.

„Genug Testosteron gezeigt, meine Herren. Stecken Sie alle ihre Waffen wieder weg. Es soll doch keiner zu Schaden kommen, oder?“

Irgendwie kam die Frau Eva bekannt vor, sie hatte aber kein Namen zum Gesicht.

Langsam kamen Erik und Sven Hägar wieder hoch und auch der Mann am Hubschrauber stand auf. Der Einzige der liegen blieb war der Mann der es gewagt hatte Erik am Schulte zu fassen.

„Kümmere dich um ihm,“ meinte die Frau und lief auf Erik und Sven Hägar zu. Ihre Kleidung war einfach, aber das täuschte, stellte Eva fest. Sogar der Jeans schien maßgeschneidert.

„Können wir uns setzen und kann ich ein Kaffee haben?“ fragte sie dann, als ob nichts besonderes passiert war.

Eva schaute zu Erik und Sven Hägar. Auch die Beiden schienen völlig unbeeindruckt von dem, was gerade passiert war.

„Selbstverständlich,“ meinte Sven Hägar. „Immer noch schwarz?“

„Immer noch schwarz,“ meinte die Frau.

Es reichte Eva. Sie kam sich vor wie in ein billigen Agentenfilm ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben mit wem sie es zu tun hatte. Das änderte sich auch nicht wirklich als sie am Tisch saßen. Sowohl Erik als auch Sven Hägar schienen die Frau zu kennen. Ehrlich gesagt, auch Eva meinte die Frau schon einmal gesehen zu haben, konnte sie aber weder einen Platz, noch einen Namen geben.

„Ich sehe, dass du nicht mehr weiß wer ich bin,“ sagte die Frau. Trotz der Tatsache, dass sie bei weitem nicht so harmlos war wie sie aussah und wirkte, machte sie kein unfreundlichen Eindruck.“

„Stimmt,“ meinte Eva.

„Lange her,“ meinte die Frau auch. „Damals wurde ich als Maria vorgestellt. Seminar über Psychologie und Geheimhaltung. Erinnerst du dich jetzt?“

Sofort war Eva klar wer sie vor sich hatte. Obwohl, im gleichen Augenblick realisierte sie sich, dass es eine Einschränkung gab. ‚ich wurde vorgestellt als…‘ deutete wohl darauf hin, dass den Namen nicht richtig war.

„Erik und Sven kennen mich beiden als Malin, ich denke, dabei sollte wir es lassen.“

Eva stand auf.

„Nein Malin, oder wer immer du sein magst. Entweder offene Karten oder gar nicht. Ich habe das Gefühl hier in etwas hinein zu geraten, wo ich weder Lust zu habe noch hinein gehöre. Und wenn du willst, dass ich mitspiele, dann mit offene Karten.“

Malin atmete tief durch und auch Erik und Sven Hägar schauten überrascht.

„Eva, warte mal,“ versuchte Erik sie umzustimmen.

„Nein, entweder offen oder nicht. Ende der Geschichte.“

Die Frau schaute Sven Hägar an. Er nickte und die Frau atmete tief durch.

„Setz dich. Das was ich dir jetzt erzähle wissen nur wenige Menschen. Sven Hägar ist einer davon. Lasse mich Erzählen und entscheide dann, ob du mit an Bord bist.“

Eva wußte, dass es gefährlich sein konnte. Es gab in solche Situationen immer ein Punkt an dem man nicht mehr zurück konnte, auch wenn man wollte. Sie fürchtete, mit der Geschichte der Frau würde sie diesen Punkt überschreiten.

Sven Hägar hob die Hand.

„Sugrör, setz dich. Wie lange kennen wir uns?“

„Eine halbe Ewigkeit, so scheint es mir,“ antwortete Eva.

„Plus ein Paar Tage. Habe ich dir je einen Grund geliefert mich nicht zu vertrauen? Hast du jemals gehört, ich wäre nicht zu vertrauen?“

Eva schüttelte nachdenklich ihren Kopf.

„Gut, du fürchtest, aus der Geschichte nicht mehr heraus zu kommen wenn du dir anhörst, was Magdalena zu erzählen hat. Das kann ich verstehen, doch in Wahrheit steckst du schon mit in der Geschichte drin, seit Erik dich heute Morgen aus dem Bett geklingelt hat. Hätte er mir vorher gefragt, hätte ich ihm aufgehalten, aber es war schon zu spät. Vertraue mir, bitte, lasse Magdalena erzählen und helfe uns. Es steht verdammt viel auf dem Spiel.“

Eva atmete durch und setzte sich. „Unter einer Bedingung,“ meinte sie dann.

„Die da wäre?“ fragte Magdalena.

„Wenn ich helfen soll, dann hört ihr auf was ich sage.“

Magdalena nickte. „Einverstanden, wäre auch unangebracht erst deiner Meinung zu fragen und dann nicht zu akzeptieren was du sagst.“

Es war ein Augenblick still.

„Die Geschichte fängt eigentlich zum Ende des Krieges an,“ fing Sven Hägar zu Evas Überraschung.

„Es gab Kreisen hier in Schweden die ahnten, dass die Rolle Schwedens und das Verhältnis zu den Nazis nicht kritiklos die Geschichte eingehen würde. Ebenso sicher war, dass die Kommunisten sicher versuchen würden ihren Einfluss auszubreiten und ihre Macht nicht nur im Osten zu festigen und handhaben. Das wurde von einige Leute als eine Bedrohung Schwedens Unabhängigkeit und Demokratie gesehen. Gleichzeitig waren wir uns davon bewußt, dass es im Land starke reaktionäre Kräfte gab und geben würde. Besonders die Polizei war da nicht ganz unbescholten. Viele ehemalige Soldaten landeten bei der Polizei und brachten ihr eigenes Bild von Recht und Ordnung mit. Ein Bild was nicht ganz passte zu der sozialen und demokratische Haltung der Regierung und große Teile der Bevölkerung. Deutlich wurde diesen Spagat in der Öffentlichkeit bei den Protesten gegen den Krieg in Vietnam und den Umgang mit den 68-ern Proteste. Das Land stand kurz vor eine Machtübernahme durch rechte Kräfte. Hätten wir nicht diese kleine Gruppe gehabt, die dies am Ende des Krieges schon vorhergesehen hatte, hätten wir vermutlich einen ganz anderen Weg beschritten.“

Eva ließ das, was Sven Hägar sagte auf sich wirken. Intuitiv fühlte sie, dass er Recht hatte, auch wenn sie nicht verstand was das mit dem verschwundenen Lehrer, den Tatort heute Morgen, Erik, Sven Hägar uns sie zu tun haben würde.

„Mein Vater war einer dieser Leute,“ stieg Magdalena ein. „Er war älter als den meisten anderen und befand sich in eine Position welche es ihm ermöglichte eine kleine aber selekte Gruppe von standfesten Demokraten um sich herum in besonderen Polizeidienst zu scharen. Sie brauchten einen Platz um sich zu treffen, um Nachwuchs auszubilden und vor Allem, um in Sicherheit darüber wachen zu können, dass alles lief so wie es laufen sollte. Die große Städte kamen nicht in Frage, ebenso wie die Büros der Verwaltung ausschieden. Sven Hägars Großvater hatte dieses Anwesen hier Ende des 20. Jahrhunderts gekauft und ausgebaut. Als er Verstarb erbte Sven Hägar es. Uns schien es den idealen Ort für unsere Aktivitäten und so wurde aus Jättehult den mysteriösen und mit Mythen umgebenen Ort. Sven Hägar wurde geschickt als Polizist in diesem Bezirk platziert und mit der großen Reform gelang es ihm hier zum Chef zu machen. Was viele als Abstellgleis betrachteten war in Wahrheit ein Sprungbrett.“

„Soweit so gut,“ meinte Eva. „Aber wie passt Erik hier rein und wo komme ich ins Spiel? Meine Eltern hatten nichts mit dieser Gruppe zu tun, wieso, weshalb, warum denn ich?“

„Das ist einer dieser Zufälle die es manchmal im Leben gibt,“ meinte Magdalena. „Wärst du nicht zu schnell gefahren, würdest du jetzt nicht hier sitzen. Wäre ich böse, könnte ich meinen, es ist ein selbstverschuldetes Leiden.“

Nun mußte Eva doch lächeln. Glaubte Magdalena wirklich, dass sie glauben würde es wäre alles nur Zufall? Obwohl, wer hätte denn wissen können, dass sie sich ausgerechnet in diesem Jahr zu einen Urlaub in ihrer alten Heimat entscheiden würde. Und zwar sehr kurzfristig und spontan.

„Gut, soweit habe ich verstanden was hier gespielt wurde. Mir fehlt aber noch der ehemaligen Lehrer und die Geschichte von heute Morgen. Was genau ist da los?“

„Keine Ahnung,“ meinten Magdalena und Sven Hägar fast gleichzeitig.

„Wir haben nur zwei Hinweise. Erstens war der getötete Lehrer einer von uns und zweitens fehlt uns seit einige Tage jeder Spur von ein weiteren Mitarbeiter.“

„Also doch nicht dein Bauch, sondern Wissen,“ kommentierte Eva Sven Hägars frühere Aussage in Bezug auf den Zusammenhang zwischen beide Fälle.

„Wir wissen es nicht, wirklich nicht, wir wissen nicht einmal ob das was ihr heute Morgen gefunden habt die Reste des zuletzt Verschwundenen sind. Aber wenn sie es sind, könnten wir ein massives Problem haben. Sollte es sich um ein gezielte Aktion gegen unsere Gruppe handeln, dürften wir nicht zögern entsprechend zu handeln. Sollte es nichts mit uns zu tun haben, müssen wir auch handeln und der oder die Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen.“

„So oder so sollte der oder diejenige der dieses zu verantworten hat zur Rechenschaft gezogen werden,“ meinte Eva. „So gehört sich das in eine Demokratie und einen Rechtsstaat, das wofür ihr angeblich gekämpft habt.“

Die Stille die entstand wurde unterbrochen durch Evas Telefon.

  • Fortsezung folgt.