Es gibt ein Niederländisches Lied, gesungen von Frans Halsema, mit dem Titel „Sonntagmittag Buitenveldert“. An dieses Lied musste ich denken, als ich mich gerade hinsetzte und ein Hundebesitzer sein Auto vor der Tür parkt. In dem Lied besingt Halsema das Leben an einem Sonntagnachmittag in ein kleinen, aus dem Nichts errichteten Vorstadt von Amsterdam, Buitenveldert. Gelegen in einer der Anflugschneisen für Schiphol, ein Ort wo man zunächst gerne, dann weniger gerne und zuletzt eigentlich gar nicht so gerne wohnen wollte.

So ging es nicht nur mit Buitenveldert, Gleiches passierte mit „de Bijlmermeer“ – das heutige „Amsterdam Süd-Ost“, moderner Achitektur, geplant von Menschen die genau wussten was die arbeitende Bevölkerung wollen würde, um festzustellen, dass es dann doch nicht so ideal war wie gedacht.

Leider ist das nicht nur so bei Stadtplanung, gleiches gilt für Gebäudeplanungen. Wieviele Schulen und Kindergärten sind gebaut von Menschen die entweder nie in ein solchen Einrichtung waren, oder schon längst vergessen haben was sie da erlebt haben? Funktionell muss es sein, aber heißt das auch, dass es dann angenehm ist dort zu arbeiten, ein nicht unerheblichen Teil seines Tages dort zu verbringen? Da gab es Zeiten wo die Sozialräume möglichst groß und offen sein sollten, so wie die Gesellschaft, jeder wurde gezwungen alles zu sehen und zu hören, jeder musste an allem teilhaben. Die Frage jedoch ob jeder das wollte wurde nicht gestellt. In Gegenteil, wer sich in solche Räume nicht wohl fühlt(e) bekam schon schnell ein Stempel und Menschen mit Stempel sind nie wohl angesehen in der Gesellschaft.

In dem Lied von Halsema geht es aber nicht um Menschen mit Stempel, sondern viel mehr um das „Verloren sein“ in der Masse. Viele Menschen auf engen Raum, jeder sein eigener Käfig (üblicherweise als Wohnung bezeichnet), leben völlig unbeteiligt an einander vorbei. Man sieht sich, man hört sich, in manche Fälle riecht man sich sogar, und trotzdem, wirklich gemeinsam hat man nur eins: Buitenveldert.

Für mich ist Buitenveldert in gewisser Hinsicht auch ein Symbol. Symbol für das Dorf wo ich aufgewachsen bin, wo ich gelernt habe wie man mit anders Denkenden umgeht (Ausgrenzen um jeden Preis und wenn sie sich nicht ausgrenzen lassen wollen, verprügeln!) und wo ich unbeabsichtigt lernen konnte, wie man in so eine Umgebung überleben kann: Wunde lecken, durchatmen, aufstehen und weiter gehen, unbeirrt vom verbalen und physischen Gewalt.

Das erinnert mich an einem Lied von Johny Cash, „a boy named Sue“, was man sich unbedingt wegen des Textes anhören sollte.

Schaue ich heute zurück auf dem Dorf, gute 56 Jahre sind vergangen seitdem meine Eltern dahin zogen, dann sehe ich, dass sich äußerlich viel verändert hat. Was in 1976 noch für unmöglich und als völlig irrsinnige Idee abgetan wurde, die Fusion der Gemeinde mit andere Kuhdörfer in der Umgebung, ist heute realität. Aus dem kleinen Dorf ist eine große Gemeinde geworden, doch ob sich in den Köpfen der dort verwurzelte Leute wirklich etwas geändert hat? Ich wage es zu bezweifeln.

Grund dafür, und damit schließe ich dann meine Reihe von Ausflüge nach Ideen und Äußerungen von für den Leser fremde Personen ab, ist Maarten von Roosmalen, ein Journalist der -welch eine Ironie- geboren wurde in Arnhem, eine Stadt direkt neben bem Ort wo meine Mutter geboren wurde, und die jetzt in diesem Ort lebt. Was er so schreibt über die Begegnungen mit andere Dorfbewohner, seine Gedanken und Ideen und vor Allem, was ich dann so (herrlich subjektiv natürlich) zwischen den Regeln durch lese, zeigt mir, dass sich eigentlich nichts verändert hat. Besser gesagt, es haben sich Methoden geändert und die Topografie ist etwas anders, so fehlt der alles beherrschenden Papierfabriek und ist aus dem Laden meines Onkels an der Prins van Oranjestraat inzwischen etwas anders geworden, aber die Menschen? Das was sich in den Köpfen abspielt? Es ist immer noch gleich.

Und dann bin ich dankbar, dass ich dort lernen dürfte, wie man Ausgrenzung überlebt und es stärkt mich in der Überzeugung, dass ich mich dagegen so lange wie ich kann wehren werde. Denn es sollte in eine demokratischen Gesellschaft nie die Notwendigkeit bestehen zu lernen, wie man sich gegen Ausgrenzung wehrt. Stempel sollten verboten werden.

in diesem Sinne,

Olav